(red) Karlsruhe – Rund 30 Kartons auf gut zweieinhalb Regalmetern umfasst der Nachlass der Karlsruher Politikerin Kunigunde Fischer (1882 – 1967), welchen das Stadtarchiv Karlsruhe nun als Schenkung erhalten hat, heißt es in einer Pressemitteilung der Stadt. Die Sozialdemokratin Fischer war nicht nur Abgeordnete des Badischen Landtags und Karlsruher Stadträtin: Als engagierte Persönlichkeit machte sie sich über tiefgreifende politische Zäsuren hinweg während des Kaiserreichs, der Weimarer Republik, der NS-Zeit und des Wiederaufbaus nach dem Zweiten Weltkrieg in vielen Bereichen der Fürsorge verdient. Ihr wurde 1957 das Bundesverdienstkreuz und 1965 als erster Frau überhaupt die Karlsruher Ehrenbürgerwürde verliehen.
Gemeinnütziger Verein schenkt den Nachlass an das Stadtarchiv
Dass die Ankunft des Nachlasses im Archiv „viel Freude, aber auch viel Arbeit“ auslöst, betonte schon Oberbürgermeister Dr. Frank Mentrup in seiner Begrüßungsansprache. Doch einen Teil dieser Arbeit hat bereits der Verein Lernort Zivilcourage & Widerstand übernommen, der 2015 den Nachlass von Fischers Enkel Albert Kleiber als Geschenk erhielt. Dr. Andrea Hoffend und Michael Börner sichteten, strukturierten und überführten die Dokumente vorab in säurefreie Mappen. Mit dem Einverständnis der Familie soll der Nachlass nun am Stadtarchiv fachgemäß geordnet, verzeichnet und schließlich Interessierten zugänglich gemacht werden, heißt es in der Mitteilung weiter.
Die Korrespondenzen, Parlamentsdrucksachen, Redekonzepte, aber auch Fotografien, Reisebroschüren und ein Teil der privaten Bibliothek erlauben einen Einblick in das politische Handlungsfeld, aber auch in die vielfältigen Interessen der SPD-Politikerin, die „man heutzutage wohl als Netzwerkerin bezeichnen würde“, wie OB Mentrup bemerkte. Unter anderem gründete sie noch während des Kaiserreichs mit anderen Frauen die sogenannte Kinderschutzkommission als Selbsthilfe für berufstätige Mütter und beteiligte sich am Aufbau der Arbeiterwohlfahrt, deren Vorsitzende der Karlsruher Zweigstelle sie seit 1925 war. „Eine Pionierin in vielerlei Hinsicht“, betonte das Stadtoberhaupt und dankte dem Verein Lernort und dem Stadtarchiv, „durch ihre Erschließung des Nachlasses an der gemeinsamen Geschichts- und Erinnerungsarbeit teilzuhaben.“
Dr. Katrin Dort, Leiterin des Stadtarchivs Karlsruhe, betonte, dass dieser Nachlass in zwei Lücken stoße, da er zum einen einer bedeutenden weiblichen Persönlichkeit zuzuordnen sei – diese seien am Stadtarchiv mit Nachlässen derzeit noch unterrepräsentiert. Zum anderen beklagte Archivleiterin Dort die dürftige Lage an Schriftgut aus der Weimarer Republik: „Wir sind über jedes Dokument froh, dass diese Zeit in Karlsruhe für uns ein Stück mehr erhellt.“
Auch Fischers Enkel Albert Kleiber ist glücklich, dass die Erinnerung an seine Großmutter, aber auch an ihre politische Arbeit nicht in Vergessenheit gerät: „Was sie geleistet hat, wie vielfältig ihre Interessen und ihr Engagement waren, das habe ich erst beim Sichten der Unterlagen wahrgenommen.“ Für seine Schenkung des Nachlasses ist die Stadt sehr dankbar, auch soll sie als Vorbild für andere dienen , heißt es in der Pressemitteilung. So nutzte OB Mentrup die Gelegenheit für einen Appell, derartige Zeitzeugnisse nicht achtlos wegzugeben, sondern sie den fachkundigen Archivarinnen und Archivaren im Stadtarchiv anzubieten.