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Foto: Daniel Bär von Creditreform
FinanzenWirtschaft

Mehr Insolvenzen und Leerstände: Folgen der Pandemie in Karlsruher Innenstadt deutlich

(red) Karlsruhe – Leere Geschäftsräume, zahlreiche leerstehende Verkaufsflächen, Einzelhändler, die ihre Umsatzausfälle nicht mehr aus eigener Kraft stemmen können – und ein Ende scheint noch nicht in Sicht: Die Corona-Pandemie hat tiefgreifende Auswirkungen auf die Finanzmärkte und die Realwirtschaft. Viele Unternehmen in Karlsruhe und der Region meldeten Insolvenz an, Einzelhändler und Gastronomen mussten in der Pandemie ihre Läden schließen, einige für immer. Die Corona-Krise betrifft alle Bereiche unseres persönlichen Lebens, unser Gemeinwesen insgesamt bekommt die Auswirkungen immer noch deutlich zu spüren. Die wirtschaftlichen Auswirkungen eines Lockdowns mit geschlossenen Ladentüren hatte fatale Folgen für die Überlebensfähigkeit vieler kleiner und mittelständischer Handelsunternehmen. Der Wirtschaftsstandort und Kulturraum Innenstadt leidet enorm und tausende Arbeitsplätze sind nach wie vor gefährdet. Daniel Bär von der Creditreform Karlsruhe, sprach mit uns über staatliche Finanzhilfen, Kreditausfällen und die Nachfolgen der Pandemie für den Einzelhandel.

1. Herr Bär, welche Auswirkungen hat die Pandemie auf die Wirtschaft und den Einzelhandel in Karlsruhe?

Die endgültigen Auswirkungen der Pandemie sind zum derzeitigen Zeitpunkt noch gar nicht abzusehen. Die Situation in Karlsruhe entspricht in etwa der der Gesamtwirtschaft in Deutschland und weist keine Besonderheiten auf. In der Innenstadt sind die Auswirkungen der Pandemie am aufkommenden Leerstand und der Aufgabe zahlreicher Einzelhändler auf der Kaiserstraße sichtbar geworden. Doch das gilt auch für andere Innenstadtbereiche in Deutschland. Für die allgemeine Wirtschaft lässt sich ein solcher Trend in Karlsruhe (noch) nicht erkennen.

2. Inwiefern ist die Liquiditätsposition der Unternehmen in der Region und deutschlandweit durch die Pandemie belastet?
Aktuell zeigen sich in der deutschen Wirtschaft keine großen Ausfallerscheinungen. Die staatlichen Corona-Hilfen sedieren die Unternehmen mit einer Liquiditätsflut. Die Positionen scheinen ausreichend. In wieweit Materialknappheit, steigende Preise oder gar ein erneuter Lockdown, ausgelöst durch eine mutierte Variante des Coronavirus die Liquidität der Unternehmen zukünftig belasten würde, ist momentan noch gar nicht absehbar. Fest steht, dass Unternehmen, die bereits vor der Krise bonitätsschwach waren, dadurch in erhebliche Schwierigkeiten geraten dürften. Vor allen Dingen dann, wenn weitere Finanzhilfen ausbleiben. Ob die Geldflut alleine die Probleme lösen kann, ist alles andere als sicher. Viele vergessen auch, dass auf die Staatshilfen Steuern fällig werden. Die Liquiditätsprobleme könnten viele Unternehmen also schneller einholen als ihnen lieb ist.

3. Wieso stellt das ein Problem für kleine und mittelständische Unternehmen dar?
Noch sind die Probleme nicht sichtbar. Die Geldflut wirkt wie ein Beruhigungsmittel. Doch irgendwann wirkt die „Droge“ Geld nicht mehr. Denn jetzt, wo die Wirtschaft leichte Erholungstendenzen zeigt und sich die Auftragslage z.B. im Handwerk verbessert, treten andere Probleme in den Vordergrund. Die Rohstoffe werden knapp und teuer. Der Holzmarkt ist teilweise wie leergefegt. Handwerker berichten von vollen Auftragsbüchern und fehlendem Material. Selbst Malerpinsel sind aufgrund des Holzmangels zu einem begehrten Objekt geworden. Da stehen hohe Liquiditätspositionen explodierenden Preisen und Personalkosten gegenüber, während wegen Materialmangels und Lieferverzögerungen wichtige Umsätze wegbrechen.

4. Könnte man sagen, dass es durch die verschlechterten gesamtwirtschaftlichen Aussichten und die Eindämmungsmaßnahmen der Pandemie ein gestiegenes Ausfallrisiko von Unternehmenskrediten gibt?
Die staatlichen Hilfen laufen aus. Damit steigen die Geschäftsrisiken. Um Zahlungsausfällen entgegenzuwirken, verkürzen Lieferanten bereits die Zahlungsziele. Gleichzeitig ist festzustellen, dass Rechnungen zunehmend verspätet bezahlt werden. Lieferanten können den gebeutelten Einzelhändlern die in der Krise eingeräumten verlängerten Zahlungsziele nicht auf den St. Nimmerleinstag verschieben, ohne selbst in Liquiditätsschwierigkeiten zu geraten. Spätestens dann, wenn Lieferanten ihre Forderungen realisieren müssen, steigt auch für die Banken das Ausfallrisiko von Unternehmenskrediten.

5. Sollten die staatlichen Finanzhilfen und Pakete nicht genau diesem Ladensterben in den Städten und Gemeinden entgegenwirken?

Ja. Natürlich konnte kein Mensch ahnen, wie lange sich die Pandemie hinziehen würde. Für viele Unternehmerinnen und Unternehmer waren die Hilfen nicht mehr als der berühmte Tropfen auf den heißen Stein. Die weitere Entwicklung der Pandemie ist schwer abzuschätzen. Einigen werden die Gelder das Überleben vielleicht gesichert haben, bei vielen anderen werden die Lichter wohl endgültig ausgehen.

6. Gibt es konkrete Zahlen an Ausfällen, Schäden und Insolvenzen – speziell im Karlsruher Raum – die der Pandemie geschuldet sind?
Dafür ist es noch zu früh. Das Insolvenzgeschehen wird weiterhin deutlich durch Sondereffekte verzerrt. Bei den Unternehmensinsolvenzen führen maßgeblich die staatlichen Eingriffe und Hilfsmaßnahmen zu einem weiteren Rückgang der Fälle. Bestimmte Branchen sind weniger, andere härter getroffen: Handel und Dienstleistungen zeigten in den ersten sechs Monaten ein zunehmendes Insolvenzaufkommen. Der Handel verzeichnete in Deutschland 1.920 Insolvenzen – ein Plus von 3,8 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Eine Auswertung der Jahresabschlüsse von rund 26.000 deutschen Unternehmen durch die Creditreform Wirtschaftsforschung zeigt, dass jedes siebte Unternehmen hierzulande (14,5 Prozent) mit einem negativen Ergebnis vor Steuern in die Corona-Krise gegangen ist. Erst die kommenden Jahre werden zeigen, wie viele Insolvenzen und welche Schäden dadurch in den Pandemiejahren 2020/21 zu verzeichnen sind. Hinzu kommen weitere Herausforderungen wie die Geldpolitik der EZB und die Klimakatastrophe, die sich ebenfalls auf das Insolvenzgeschehen auswirken dürfte.

7. Wie könnte ein Ausweg aus dieser Corona-gemachten Finanzmisere aussehen?

Das Coronavirus allein für die Finanzmisere verantwortlich zu machen, wäre zu kurz gedacht. Bereits Ende 2019 schwächte sich der Rückgang der Insolvenzen ab und wir mussten nach einer zehnjährigen Boomphase nun wieder mit einem leichten Anstieg der Unternehmensinsolvenzen rechnen. Mit dem Beginn der Pandemie und der damit verbundenen Geldflut trat das Gegenteil ein. Mit dem Ende der Pandemie wird die Finanzmisere nicht beendet sein. Corona war sozusagen nur der Turbozünder, der uns vor Augen geführt hat, dass ein Höher-Schneller-Weiter irgendwann an seine Grenzen kommen muss. Die Mobilitätswende, die Digitalisierung, die Null-Zins-Politik der EZB oder der rasante Klimawandel sind zusätzliche und nur einige beispielhafte Herausforderungen, denen sich die Welt stellen muss. Die Bundestagswahlen stehen außerdem vor der Tür. Es wird sich zeigen, welche Lösungsansätze gefunden werden. Eine pauschale Antwort auf diese Fragen zu geben, ist sicherlich schwierig.

8. Wird sich die Wirtschaft bzw. der Handel je davon erholen?

Das Wirtschaftsgeschehen ist seit jeher gezeichnet von einem Auf und Ab. Die Erholung der Wirtschaft wird maßgeblich von den politischen – auch finanzpolitischen – Rahmenbedingungen abhängen. Es ist deshalb Aufgabe der Politik, diese Rahmenbedingungen zu schaffen. Ja. Natürlich wird sich die Wirtschaft wieder erholen. Fest steht aber auch, dass das Ende der Pandemie nicht automatisch bedeutet, dass es so weiter gehen kann, wie vor der Pandemie.

 

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